Durays Bauplan für die Oberliga
Warum der FC Hagen/Uthlede im ersten Halbjahr 2022 vor einem mentalen Kraftakt steht
Die Abstiegsrunde der Fußball-Oberliga Niedersachsen wird für alle zehn Mannschaften eine spezielle Drucksituation werden. Davor kann sich auch der FC Hagen/Uthlede nicht verschließen, wenn er auch im kommenden Sommer noch fünftklassig spielen will. „Das Entscheidende wird sein, dass du in diesen Spielen die mentale Power hast. Für ein Highlight-Spiel Gas zu geben, ist immer einfach. Aber das zehn Wochen lang zu machen, einfach bereit zu sein, auf höchstem Level zu performen, das ist eine Herausforderung“, sagt Trainer Benjamin Duray.
Auf bis zu acht Absteiger bereiten sich die Hagener vor. In diesem Worst-Case-Szenario würden also ab Platz drei alle Teams in die Landesligen absteigen. „Das wird ein Hauen und Stechen“, ahnt Duray – und weiß, dass seine Mannschaft noch zulegen muss. Das ist eine der Lehren aus der Qualifikationsrunde, die bis auf das enorm wichtige Nachholspiel in Celle, um dessen Ansetzung am 23. Januar es so viele Diskussionen gibt (wir berichteten ausführlich), abgeschlossen ist. Allein die letzten beiden Partien des Jahres waren ein Beleg dafür: „Wir schaffen es gegen Uphusen unter der Woche, konzentriert und mental voll drin zu sein, aber dann in Bersenbrück, wo es nochmal um was geht, habe ich das ein bisschen vermisst“, erklärt der Trainer mit Blick auf den wichtigen 1:0-Sieg gegen den TBU und das böse 1:7 gegen den TuS. „Bersenbrück tat richtig weh zum Abschluss“, macht Duray keinen Hehl daraus, dass die höchste Niederlage der Saison enorm schmerzte, zumal Bersenbrück auch in die Abstiegsrunde muss. Ein 1:7 ist eine Hypothek, die es erst einmal auszugleichen gilt – und die in einer engen Staffel teuer werden könnte.
Hagen schaffte es in den ersten 17 Spielen nicht, konstant auf dem höchsten Level zu performen, auch wenn Duray mit der Einstellung überwiegend einverstanden ist. Der FC lieferte mitreißende Auftritte wie beim 4:2 über den VfL Oldenburg oder dem 1:0 über den Heeslinger SC ebenso wie enttäuschende Leistungen. Da denkt Duray nicht nur an das Bersenbrück-Spiel, sondern auch die Auftritte in Uphusen (1:2) und Rotenburg (1:4), „wo wir aus meiner Sicht unter unseren Möglichkeiten gespielt haben“, analysiert der Trainer. Das führt dazu, „dass wir zu wenig Punkte geholt haben. Da gibt es nichts zu beschönigen“. Besonders bitter aus Hagener Sicht: In Bersenbrück, Uphusen und Rotenburg ging es um Big Points für den Klassenerhalt. Diese Niederlagen wirken doppelt nach, auch wenn aus den drei Heimspielen gegen diese Konkurrenten sieben Zähler zu Buche stehen. Ohnehin hat die Hagener auch ihre eklatante Auswärtsschwäche um eine bessere Ausgangsposition für das Frühjahr gebracht: Keinen einzigen Punkt sammelten die Grün-Schwarzen auf fremden Plätzen. Das muss 2022 sofort besser werden.
Die Umstände waren zweifelsohne nicht einfach für die Hagener, die mit vier Punkten aus zwei Partien dennoch gut starteten. Im dritten Spiel in Emden riss sich Axel France das Kreuzband. Der FC verlor sein Momentum, mehr noch: „Ich hatte das Gefühl, dass uns das wie einem Boxer einen richtigen Punch versetzt hat“, sagt Duray. Seine Elf, die durchaus etwas hätte mitnehmen können aus Ostfriesland, kehrte ohne Zähler und – was viel schwerer wog – einem Schwerverletzten zurück. Seitdem zogen sich die personellen Probleme wie ein roter Faden durch die Saison. Timo Stüßel erwischte es gleich zweimal schwer, nun ist nach einem Kreuzbandriss auch seine Saison gelaufen. Dazu fiel unter anderem Innenverteidiger Christoph Müller längerfristig aus, viele kleine Verletzungen würfelten die Startformation Woche für Woche durcheinander. Teilweise war die Luft personell so dünn, dass Kian Hinte mit einem Rippenbruch und einer Bänderverletzung im Sprunggelenk auflief. Zwischenzeitlich blieb Hagen sechsmal sieglos, kämpfte sich aber auch aus diesem Tief heraus.
Der Blick nach vorn ist kein komplett trüber. Zum einen, weil mit einem Sieg in Celle der Anschluss an die Top-Plätze der Abstiegsrunde geschafft wäre, und zum anderen, weil einige junge Spieler ihre Chance genutzt haben und zur Stelle waren, als sie gebraucht wurden. Ylbes Halimi etwa war durchaus ein Gewinner der Hinserie. Der junge Innenverteidiger bekam viel Spielzeit und erzielte beim Sieg über Bersenbrück den entscheidenden Treffer. Lob verdienten sich aber auch die anderen Talente wie Jerome Albritton oder Luca Dosse. „Sie haben sich als Typen erwiesen, die sich ihre Spielzeit verdient haben. Dass sich der eine oder andere gut entwickelt, ist auch im Sinne des Vereins, weil die Jungs aus der Region kommen und eine große Identifikation haben“, sagt Duray.
Die vielen Einsätze auch junger Spieler zeigen, was der Trainer seit Saisonbeginn betont: „Wir werden jeden brauchen. Jeder ist da, weil er einen Auftrag hat. Der eine hat mal mehr, mal weniger Aufträge“, sagt er und unterstreicht das mit einem Vergleich: „Das ist wie, wenn man etwas baut. Der Elektriker wird nicht die Mauer hochziehen oder das Dach decken, sondern nur die Leitung legen zu einer bestimmten Zeit.“ Sprich: Jeder muss da sein, wenn er gebraucht wird, und seinen Auftrag bestmöglich erledigen, um die Großbaustelle Oberliga erfolgreich zu beenden. Das gilt auch für die Talente. „Die Jungs müssen den nächsten Schritt machen in der Rückrunde“, fordert Duray.
Diese Aussage lässt sich durchaus auf den kompletten Hagener Kader ausweiten. Es muss noch mehr kommen. Um diese Entwicklung zu beschleunigen, wird das Trainerteam die Reize etwas anders setzen. Nachdem der Fokus im Sommer auf der technisch-taktischen Komponente gelegen hatte, werde man nun die Intensität steigern. Natürlich gehe es auch um das Fußballerische, aber vor allem um Kampfbereitschaft, sowohl körperlich als auch mental. Das erste Halbjahr 2022 ist ein Halbjahr voller Endspiele für den FC Hagen/Uthlede – und dafür wollen die Grün-Schwarzen bestens gerüstet sein. Oder wie es Duray sagt: „Dann gibt es nur noch Vollgas.“
ZUR SACHE
Duray hofft auf weitere Verstärkungen
Mit Mirko Franke steht ein Neuzugang beim FC Hagen/Uthlede bereits fest. Trainer Benjamin Duray freut sich auf den Rückkehrer: „Das Schöne ist: Wir wissen, was wir an ihm haben, er ist ein feiner Junge, hat eine gute Mentalität, eine gute Einstellung, und er wird keine Anpassungszeit brauchen. Er kennt mich auch als Trainer und weiß, was ich will. Von daher ist das ein super Transfer.“Aufgrund der Verletztenmisere in der Hinserie und den langfristigen Ausfällen von Timo Stüßel und Axel France hofft der Coach auf weitere Zugänge. Zumal auch Stürmer Lucas Heins, erst im Sommer vom SV Anderlingen gekommen, aus beruflichen Gründen nicht mehr zur Verfügung steht. Sowohl offensiv als auch defensiv sieht Duray durchaus Handlungsbedarf, wobei er auch weiß: „Das Transferfenster ist sehr schwierig, man muss auch unsere wirtschaftlichen Voraussetzungen und unseren Standort berücksichten. Es ist nicht einfach, da im Winter Spieler loszueisen, weil auch die Vereine die Freigabe erteilen müssen. Wir sind froh über jeden Transfer, mit dem wir uns auch in der Breite qualitativ verstärken können. Wir versuchen Typen und Qualität dazu zu bekommen, die uns in der Rückserie weiterhelfen.“
INFO
Bisher eingesetzte Spieler: Marlo Burdorf (17 Spiele/0 Tore), Luca Mittelstädt (17/4), Finn-Niklas Klaus (16/8), Kilian Tienken (16/1), Yannick Becker (15/0), Timo Dressler (15/0), Kai Diesing (15/3), Julian Deppe (14/0), Kian Hinte (13/1), Lewis Stroth (13/0), Yannick Bremser (12/1), Jerome Albritton (12/0), Ylbes Halimi (11/2), Patrick Hirsch (10/0), Fabio Hausmann (9/0), Lucas Heins (8/0), Sören Wegner (7/0), Luca Dosse (7/0), Christoph Müller (6/1), Timo Stüßel (5/1), André Stüßel (4/0), Axel France (2/0), Yannik Koch (2/0)
Quelle: Weser-Kurier vom 12.01.2022 verfasst von Thorin Mentrup