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Eine neue Zeitrechnung beginnt

FC Hagen/Uthlede will nach dem Umbruch in der Landesliga neue Geschichte schreiben

Der Blick zurück? „Den gibt‘s nicht mehr“, betont Tjark Seidenberg mit Nachdruck – obwohl er selbst während der Glanzzeiten des FC Hagen/Uthlede doch mittendrin war. „Aber wir schauen nur noch nach vorne“, bekräftigt der neue Chef-Trainer des Fußball-Landesligisten. Dabei hat sein Klub im Sommer vieles hinter sich gelassen, weitaus mehr als nur seinen Platz in der Oberliga. Viele Gesichter der ersten Mannschaft haben den Verein verlassen. Der Umbruch ist in vollem Gange, eine neue Zeitrechnung hat begonnen. Es wird, das weiß Seidenberg, alle Kräfte brauchen, um den Neuaufbau erfolgreich zu meistern. Deshalb verbietet sich der (wehmütige) Blick zurück. Stattdessen sieht der 32-Jährige einige Gründe, optimistisch nach vorn zu schauen.

Wenn schon Umbruch, dann richtig. „Wir wollten das, wir haben das auch forciert“, sagt Seidenberg mit Blick auf die Abgänge unter anderem von Marlo Burdorf, Yannick Becker und Kai Diesing. Ur-Hagener, die den Klub bis in die Oberliga geführt haben. Sie haben nun Platz gemacht, teilweise für Spieler, die in ihrer Jugend selbst an der Blumenstraße standen, um Burdorf und Co. zuzusehen. So zum Beispiel David Miller und Ole Rös, die aus der U19 des JFV Bremerhaven gekommen sind. Auch Rouven Stürcken, zuletzt für Eintracht Cuxhaven am Ball, und Tom Petter Rode, der das Trikot des Heeslinger SC trug, sind noch jung. Vor allem aber sind sie allesamt „Jungs, die wir brauchen und die auch stolz sind, das Hagener Trikot zu tragen“, wie Seidenberg sagt. Aber auch Spieler, die Zeit benötigen werden, um die Lücken zu füllen, die die alte Garde hinterlassen hat.

Es geht nicht nur steil nach oben
 
Diese Zeit müsse man ihnen zugestehen, sagt Seidenberg. Rückschläge inbegriffen. Dass es nicht nur steil nach oben geht, hat die Vorbereitung gezeigt: Auf den Sieg beim Bornreiher Jubiläumsturnier folgten das Pokal-Aus gegen Cuxhaven und zuletzt eine Niederlage gegen die BTS Neustadt. Seidenberg trifft das nicht unvorbereitet, sein Projekt steht schließlich noch am Anfang. „Menschlich ist die Mannschaft schon sehr weit“, sieht er zwar den ersten Schritt gemacht, „aber gerade im sportlichen Bereich müssen wir noch viel tun.“ Es gilt, Automatismen zu entwickeln, Abläufe zu verfestigen, Ideen zu verstehen und vor allem auf dem Platz umzusetzen. Und auch Spieler wie Timo Stüßel oder auch Axel France nach langer Verletzungspause wieder zu integrieren.
 
Seidenberg sieht in seiner Mannschaft – anders als so mancher Außenstehender – keinen Titelfavoriten. Wohl aber viel Potenzial. Auch das, oben mitzuspielen und Mannschaften aus der Spitzengruppe zu ärgern. Denn Hagen verfügt immer noch über einen Kader, der reichlich Erfahrung und Klasse mitbringt. Das gilt für Neuzugänge wie Benjamin Duell und Marcel Meyer genauso wie für Recken wie Ex-Profi Clemens Schoppenhauer, Mirko Franke oder Timo Dressler. Auch Finn-Niklas Klaus und Kilian Tienken haben trotz ihres vergleichsweise noch jungen Alters bereits viel Fußball auf Oberliga-Niveau erlebt. Sie müssen, zusammen mit einigen anderen jungen Spielern, mehr Verantwortung übernehmen. Seidenberg will ihnen den Raum zum Wachsen geben.
 
Gerade defensiv scheint Hagen gut aufgestellt. Und offensiv? Das Spiel mit dem Ball kam an der Blumenstraße in der Oberliga oft zu kurz. „Da ging es in erster Linie um Fehlervermeidung. Jetzt muss unsere Lust aufs Gewinnen größer sein als die Angst zu verlieren“, fordert Seidenberg. Es braucht ein neues Selbstverständnis – das, Spiele gegen jeden Gegner gewinnen zu können. Auch in dieser Hinsicht baut Seidenberg auf die Neuzugänge: „Sie alle haben mit ihren Mannschaften oben mitgespielt. Ihr Selbstvertrauen tut den Jungs, die letztes Jahr schon hier waren, gut.“ Ihm ist aber auch bewusst: „Nur weil wir die Bornreiher Sportwoche gewonnen haben, heißt das nicht, dass wir das neue Selbstverständnis schon haben.“ Auch dafür brauche es Geduld.
 
Für Seidenberg spielt die Mischung aus Demut und Selbstvertrauen eine wichtige Rolle, damit aus dem Umbruchs- und Entwicklungsjahr eine erfolgreiche Saison wird. Den ganz großen Druck bürdet er seiner Mannschaft nicht auf. „Die Landesliga ist hart“, weiß der Trainer. Dass seine Mannschaft widerstandsfähig ist, hat sie in Bornreihe gegen Ahlerstedt/Ottendorf gezeigt, als sie nach einem 0:2-Rückstand gegen den Oberliga-Aufsteiger noch 3:2 gewann. Da zeigte sich der Wert von Akteuren wie Jan Hasselmann, der mit seinem unbändigen Willen half, das Spiel zu drehen. Mentalität und Kampfkraft werden weiter wichtige Tugenden bleiben, das lebt das Trainerteam mit Seidenberg, Schoppenhauer und Gunnar Schmidt vor. Den Hagen-Spirit soll die Mannschaft auch nach dem Umbruch nicht verlieren. Diesem Anspruch muss das neue Team mit dem Blick zurück standhalten. Ansonsten gilt Seidenbergs Ansage: „Wir wollen neue Geschichten schreiben.“
 

INFO

 
FC Hagen/Uthlede
 
Neuzugänge: Rouven Stürcken (FC Eintracht Cuxhaven), Benjamin Duell (Bremer SV), Tom Petter Rode (Heeslinger SC), Marcel Meyer (TuS Harsefeld), Ole Johann Roes, David Miller (beide (JFV Bremerhaven U19), Ali Azad (Tura Bremen)
 
Abgänge: Marlo Burdorf (VSK Osterholz-Scharmbeck), Kai Diesing (SV Blau-Weiß Bornreihe), Christoph Müller (BW Bornreihe), Yannick Bremser (Auslandsjahr), Yannick Becker (TSV Stotel), Viktor Appiah, Luca Mittelstädt (beide VfL Oldenburg), Christian Maruschke Agbe (Ziel unbekannt)
 
Restkader: Yannik Koch, Clemens Schoppenhauer, Ylbes Halimi, Mirko Franke, Fabio Hausmann, Kilian Tienken, Kian Hinte, Timo Dressler, Julian Deppe, Axel France, Sören Wegener, Timo Stüßel, Finn-Niklas Klaus, Jerome Albritton, Jeremy Lehmkuhl, Luca Liam Dosse
 
Trainer: Tjark Seidenberg
Co-Trainer: Gunnar Schmidt
Spielender Co-Trainer: Clemens Schoppenhauer
Torwarttrainer: Marco Piechura
Sportlicher Leiter: Gunnar Schmidt
Physiotherapeutin: Jana Thielking
Betreuer: Henrik Wohltmann
Zeugwart/Teammanager: Udo Waltemade
Meisterschaftsfavorit: TuS Harsefeld, FC Verden 04, BW Bornreihe
Saisonziel: Deutlich mehr Spiele als in der Oberliga gewinnen und die zahlreichen Fans wieder an die Blumenstraße locken

Quelle: Weser-Kurier vom 03.08.2022 verfasst Thorin Mentrup