Hagen lässt fast alles vermissen
Fußball-Oberligist verliert nach desaströsem Start mit 1:4 beim Rotenburger SV und ist nun Schlusslicht
Jerome Albritton war auf der Bank in sich zusammengesackt. Neben ihm hatte Ylbes Halimi die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und schaute mit leerem Blick in den Nachmittagshimmel. Dieser Moment des Oberliga-Auswärtsspiels des FC Hagen/Uthlede beim Rotenburger SV verriet viel über die Gefühlslage der Elf von der Blumenstraße. Und da war gerade erst Halbzeitpause im Ahe-Stadion.
Es war ein erster Durchgang zum Vergessen gewesen. Nicht nur für Halimi und Albritton, die in der Startelf gestanden hatten und dann nach rund 40 Minuten beim Spielstand von 0:3 aus Sicht ihrer Mannschaft ausgewechselt wurden. „Wir hätten auch viele andere auswechseln können“, sagte Hagens Trainer Benjamin Duray nach der Partie, die seine Mannen mit 1:4 (1:3) verloren und damit auf den letzten Platz zurückfielen. Es war ein herber Rückschlag, dann auch noch gegen einen direkten Konkurrenten, der Hagen womöglich in die Abstiegsrunde der Oberliga begleiten wird. Nach dem 1:1 im Hinspiel hat der RSV dann allerdings vier Punkte auf der Habenseite, die Duray-Elf dagegen nur einen.
Verantwortlich dafür waren vor allem die ersten 40 Minuten. „Indiskutabel“, nannte Hagens Trainer den Auftritt seines Teams. „Wir konnten froh sein, dass wir nur 0:3 hinten lagen.“ Das Bittere aus Gästesicht: Duray lag mit dieser Einschätzung vollkommen richtig. Es hätte weitaus schlimmer kommen können, wenn die Gastgeber ihre zahlreichen Möglichkeiten besser genutzt hätten. Doch die Rotenburger beließen es bei einem Tor von Lucas Chwolka (18.) sowie einem Doppelpack des groß aufspielenden Noel Lohmann (21., 36.). Das war aus Hagener Sicht allerdings schon schlimm genug.
Genauso sehr wie die Gegentore dürfte Duray allerdings das generelle Auftreten seiner Elf geschmerzt haben: Die Gäste spielten lange ohne Überzeugung und ohne Feuer, strahlten keinerlei Sicherheit und Kampfgeist aus. Alles das, was es für das wichtige Duell gebraucht hätte, fehlte fast den gesamten ersten Durchgang. Wie der Trainer sagte: Er hätte auch viele andere Akteure auswechseln können. Halimi war bei der Entstehung von zwei Toren zwar dran am Ball, konnte aber auch nicht richtig klären, und auch Albritton sei untröstlich gewesen, wusste Duray und fühlte durchaus mit dem jungen Duo. „Da reißt ihnen auch keiner den Kopf ab“, stellte er sich vor seine beiden Schützlinge.
Doch der Trainer musste reagieren. Und immerhin kam seine Elf mit den Wechseln vom Debakelkurs ab. Kai Diesing, ebenso wie Lewis Stroth ins Spiel gekommen, verkürzte sogar noch vor der Pause per Strafstoß (45.+2) und bescherte seinem Team damit ein „Fünkchen Momentum“, wie Duray sagte. Den zweiten Durchgang starteten die Gäste recht druckvoll, hatten „ein paar gute Vorstöße und Gelegenheiten“, wie Duray feststellte. „Wenn wir das zweite Tor machen, kann das Spiel sogar noch kippen“, ergänzte er. Allerdings konnte seine Elf keinen Dauerdruck erzeugen, um Rotenburg über einen längeren Zeitraum vor größere Probleme zu stellen. Die Gastgeber machten den gefestigteren Eindruck und kamen durch Joel Schallschmidts Distanzschuss zur Entscheidung (71.). Dass Rechtsverteidiger Kian Hinte angeschlagen den Platz verlassen musste, war eine weitere schlechte Nachricht für die Gäste.
Personell hat Hagen ohnehin zu kämpfen. „Seit Wochen krebsen wir da rum“, sagte Duray auf die Situation. In zwei der drei Einheiten vor dem Rotenburg-Spiel hatte er keine zehn Akteure auf dem Trainingsplatz gehabt. Und so wirkte der Auftritt phasenweise dann auch wie die Vorbereitung: unrund. Allerdings machte Duray auch keinen Hehl daraus, dass nicht nur das ihm bitter aufstieß. „Wir haben uns ganz schlecht präsentiert. So geht man keine Spiele an, um die Klasse zu halten“, wurde er deutlich und ergänzte: „Jeder muss sich Gedanken machen, ob das reicht.“ Dass Co-Trainer Tjark Seidenberg in der Nachspielzeit die Gelb-Rote Karte sah, war der negative Abschluss des Nachmittags. Immerhin zeigte die Wut, mit der Seidenberg darauf reagiert hatte, dass ein Rotenburger Timo Stüßel den Ball beim Einwurf aus kurzer Distanz in den Unterleib warf, dass noch Feuer lodert beim FC.
Dass er sich nicht beruhigen konnte, dürfte allerdings dem Frust über das Spiel geschuldet gewesen sein.
Quelle: Weser-Kurier vom 18.10.2021 verfasst von Thorin Mentrup