Jugendfußball kämpft mit Lücken
Vereinen im Cuxland macht Schwund bei Mannschaften und Betreuern zu schaffen – Pandemie hat Spuren hinterlassen
Wer auf die Sportplätze im Cuxland schaut, sieht fast überall quietschvergnügte Jungkicker beim Training, die den Sommer und den Neustart des Sports nach dem Lockdown genießen. Doch für die Verantwortlichen im Jugendfußball im Cuxland ist nicht alles eitel Sonnenschein. Die anderthalb Jahre pandemiebedingter Krisenmodus haben Spuren hinterlassen – und bestehende Probleme noch verschärft. Diese Erfahrungen haben auch Vereine in Bremerhaven machen müssen.
Die Jungs, die kommende Saison in der U13 des Jugendfördervereins Staleke spielen, sind hochkonzentriert bei der Sache auf dem Fußballplatz in Bramstedt. Trainer Marcel Weidemann lässt sie tüchtig schwitzen, um dann mit ihnen bei der Trinkpause richtig Spaß mit Wasserspritzen zu haben. „Die sind überglücklich, dass sie wieder Fußball spielen dürfen“, sagt Weidemann über seine Schützlinge, die lachend im Hintergrund toben. Das sieht auch Spieler Bjarne Klaus so, der kurz innehält: „Wir finden es natürlich gut, dass wir wieder spielen dürfen.“ Und er schiebt gleich eine Bitte hinterher: Eine Lockdown-Zeit ohne Training dürfe es „bitte nicht noch einmal“ geben. Deutlich wird hier: Fußball macht glücklich.
Etwas abseits des Platzes stehen Xenia Köstergarten und Christian Wehrse aus dem Vorstand des JFV Staleke, der die gemeinsame Jugendabteilung mehrerer Vereine aus der Gemeinde Hagen bildet. Deren Stimmung ist weniger ausgelassen. Der Lockdown hat Spuren hinterlassen. „Wir haben in der kommenden Saison 2021/22 vier Lücken“, sagt Wehrse. Der Verein wird im Bereich U12, U15, U17 und U19 keine Mannschaften melden, weil Spieler und Ehrenamtliche nicht mehr an Bord sind. Xenia Köstergarten: „Durch die notwendigen Beschränkungen durch die Pandemie ist es so wie in jedem Verein: Spieler springen ab, die Zusammensetzung und der Erhalt von Mannschaften in allen Altersstufen wird schwierig – auch aufgrund eines übermäßigen Wettbewerbs um die Spieler und die Ehrenamtlichen zwischen den Vereinen“, sagt sie. „All das sind Probleme, die es schon vor Corona gab, die sich aber nun durch die Pandemie potenziert haben.“
Zum Beispiel hätten einige Ehrenamtliche während des Lockdowns entdeckt, wie viel Freizeit sie ohne Vereinstätigkeit haben – und überlegten sich nun dreimal, wieder einzusteigen.
Gemeinsamer Kraftakt
Xenia Köstergarten findet mit Blick auf die spielenden Kinder auf dem grünen Rasen, dass man jetzt im Landkreis einen großen, motivierenden Aufruf an Kinder, Eltern und Trainer bräuchte, wieder die Sporttasche zu packen und zu den Vereinen zu kommen. Einen gemeinsamen Kraftakt. Der JFV Staleke plant etwa, aktiv die Jugendlichen zu kontaktieren, die schon länger nicht mehr dabei gewesen sind.
Die Probleme des JFV Staleke sind auch die Probleme der anderen Vereine, die Jugendfußball anbieten. So kann Mirco Hensen, der bei der TSG Nordholz für den Jugendfußball zuständig ist, viele Einschätzungen aus Hagen nachvollziehen, auch wenn er während der Pandemie nicht so einen großen Schwund an Mannschaften ausmachen kann. Hensen bestätigt aber, dass es in der heutigen Zeit allgemein schwerer werde, Betreuer und Trainer für die ehrenamtlichen Aufgabe zu begeistern. Auf die Frage, ob vielleicht eine Erhöhung der Aufwandsentschädigung für Trainer eine Lösung wäre, zweifelt er: „Ein Ehrenamt macht man grundsätzlich nicht für die Entlohnung.“
Hensen fände es besser, wenn der Staat oder Deutsche Fußball-Bund (DFB) den Sportvereinen nach Corona mit Investitionen in die Infrastruktur helfe, zum Beispiel bei der Anschaffung von kleinen Toren für die Fußball-Spielart Funiño, die bei zahlenmäßig großen Mannschaften jedem Kicker mehr Spielzeiten erlaube. Das sei wichtig, weil die Popularität des Fußball grundsätzlich ungebrochen sei, im Kindergartenalter strömen die Kleinen nur so in die Fußballvereine. Allerdings verlieren zu viele zu schnell das Interesse in den Folgejahren – gegen diese Entwicklung sucht vermutlich noch jeder Verein ein Patentrezept.
Auch Christian Wehrse vom JFV Staleke will nicht unbedingt mehr Geld für Übungsleiter. „Es müsste jetzt ein Extra-Budget für alle Vereine geben, über das diese selbstständig entscheiden dürften“, schlägt er vor. Die Sportvereine seien bislang bei allen Corona-Hilfen durchs Raster gefallen. Ein Thema, das durch die Bank alle Ansprechpartner in den Jugendvereinen verärgert: Wenn andere Vereine, vermutlich durch den Lockdown auch unter Druck, Kids aus dem eigenen Team abwerben. Das habe meist Folgen: Wechseln zum Beispiel Leistungsträger in die Stadt, zerfällt manchmal die ganze Jugenddorfmannschaft. „Da hängt ein ganzer Rattenschwanz dran, was oft nicht bedacht wird“, erklärt Florian Poppe, Vorsitzender des JFV Unterweser, dem Jugendförderverein aus der Gemeinde Loxstedt.
Standpunkt von Jens Gehrke
Starthilfe für Vereine
Wenn es um die Zukunft des Jugendfußballs im Landkreis Cuxhaven geht, müssen offenbar dringend Weichen gestellt werden. Praktisch jeder Jugendfußballverein kämpft um einen Kunstrasenplatz als wichtigste Grundlage für die Zukunft. Und kurzfristig müsste es vonseiten des Bundes ein „Nach-Corona-Budget“ als Starthilfe geben. Vereine und Ehrenamtliche ächzen zudem unter den rechtlichen Vorgaben und Dokumentationspflichten – von Datenschutzgrundverordnung bis hin zum Hygienekonzept. Was passieren könnte, wenn man die Jugendfußballvereine jetzt im Stich ließe, will sich keiner ausmalen: Dann müssen langfristig aus Mannschaftsmangel Fußball-Kreise zusammengelegt werden und die Vereine aus Spielermangel weiter fusionieren. Richtig wäre das Gegenteil: Es braucht jetzt einen gemeinsamen Kraftakt von Vereinen, Verbänden, Politik und Eltern.
jens.gehrke@nordsee-zeitung.de
Quelle: Nordsee-Zeitung vom 01.07.2021 verfasst von Dietmar Rose und Jens Gehrke