Gefangen in der Warteschleife
Fußball-Trainer wünschen sich eine baldige Entscheidung, wie mit der aktuellen Saison verfahren werden soll
Die Hängepartie im niedersächsischen Amateur-Fußball hält weiter an. Eine endgültige Entscheidung, wie es nach der aktuell unterbrochenen Saison weitergehen soll, steht nach wie vor aus. In einer Vorstandssitzung hat der Niedersächsische Fußball-Verband (NFV) nun vier Szenarien erarbeitet, die auf einem außerordentlichen Verbandstag, der bis spätestens bis zum 27. Juni abgehalten werden soll, zur Abstimmung gestellt werden sollen. Diese Szenarien beinhalten einen Abbruch der aktuellen Saison mit Auf- und Abstieg nach Quotienten-Regelung, einen Abbruch der aktuellen Saison mit Aufstieg und ohne Abstieg nach Quotienten-Regelung, einen Abbruch der aktuellen Saison durch Annullierung (ohne Auf- und Abstieg) sowie eine Fortsetzung der aktuellen Saison, die von den 33 Kreisverbänden eigentlich bereits mehrheitlich abgelehnt worden war (wir berichteten). Die Sportredaktion des OSTERHOLZER KREISBLATT/WÜMME-ZEITUNG hat bei den Trainern ihrer ranghöchsten Vereinen einmal nachgefragt, was sie von dem jüngsten Vorstoß des Verbands halten. Ein Meinungsbild.
Carsten Werde, Trainer des Oberligisten FC Hagen/Uthlede: An meiner oder unserer Meinung, dass wir die Saison fortsetzen wollen, hat sich ja nichts geändert. Die Situation ist aber sehr unbefriedigend. Warum müssen wir – anders als in anderen Landesverbänden – auf eine Entscheidung des NFV bis zum 27. Juni warten. Ich weiß, dass es unfassbar schwer ist, einen Weg zu finden, der allen Dingen gerecht wird. Den wird es definitiv nicht geben. Aber warum muss der NFV einen Ausnahmeweg gehen? Wir haben doch in einem demokratischen Verfahren mit den Kreisverbänden abgestimmt. Obwohl: Dreiviertel von denen kann es herzlich egal sein, wie letztlich entschieden wird. Wir beim FC Hagen/Uthlede haben natürlich die Vereinsbrille auf. Wir sind ja direkt betroffen. Wir stehen in der Tabelle zwar auf einem Nichtabstiegsplatz, haben bei gleichem Quotienten gegenüber dem TB Uphusen aber das schlechtere Torverhältnis und könnten somit absteigen.
Nils Gresens, Trainer des Landesligisten SV Blau-Weiß Bornreihe: Was ich ein bisschen komisch finde, ist, dass eine Fortsetzung der Saison mit aufgeführt wurde, obwohl sich die Kreisverbände mehrheitlich dagegen ausgesprochen hatten. Ich persönlich habe mittlerweile auch ein wenig Schwierigkeiten damit, welche Variante eines Abbruchs ich bevorzugen soll, weil jeder das sagt, wo sein Verein am Ende am besten bei wegkommt. Wichtig wäre aber vor allem, dass endlich eine Entscheidung getroffen wird. Auch aufgrund der Tatsache, dass die Entscheidung bis zum 27. Juni geschoben wird. Ich frage jetzt mal ganz doof: Aber sollen wir innerhalb von drei Tagen die Kaderplanung machen, wenn die Wechselfrist bis zum 30. Juni geht? Wir in Bornreihe sind aber eigentlich auf der sicheren Seite, weil die drei Szenarien eines Abbruchs keinen Abstieg für uns zur Folge hätten.
Andreas Dirks, Trainer des Bezirksligisten FC Hansa Schwanewede: Ich finde, es ist im Moment eine Katastrophe. Man muss jetzt einfach mal einen Zeitpunkt festlegen. Ich habe natürlich einen Favoriten und das ist für mich auch ganz klar, dass man die Saison abbricht und das Ganze ohne Absteiger und mit Aufsteigern realisiert. Aber ganz unabhängig davon, was man am Ende entscheidet, finde ich es wichtig, dass man etwas entscheidet. Die Situation, die wir jetzt haben, dass wir eventuell sechs Wochen warten müssen, bis wir eine Entscheidung haben, dass irgendwas passiert – für wen ist die förderlich? Die ist für niemanden förderlich. Da sind so viele Fragezeichen. Ich zum Beispiel bin nur noch bis zum 30. Juni Trainer beim FC Hansa, da muss es eine Übergangsregelung geben, falls die Saison fortgesetzt werden soll. Was mache ich mit meinen Trainingsinhalt aktuell? Habe ich überhaupt eine Notwendigkeit? Worauf bereite ich mich vor? Bereite ich mich auf eine neue Saison vor, bereite ich mich auf den Rest der Saison vor? Für mich ist das Schlimmste, dass einfach keine Entscheidung getroffen wird. Man hängt komplett in der Luft. Was passiert denn, wenn am 27. Juni entschieden wird, wir machen weiter oder brechen ab: Dann hat der Verein bezüglich Wechsel nur drei Tage Zeit, um zu planen? Es wird ja auch argumentiert, dass es das Fairste sei, die Saison fortzuführen, aber in einem Monat wird meine Mannschaft schon ganz anders aussehen als aktuell. Ich finde nicht, dass das dann noch viel mit der laufenden Saison zu tun hat. Und wie soll es weitergehen, wenn die Saison bis März nächsten Jahres fortgesetzt werden soll. Habe ich danach fünf Monate Pause. Da bleiben einfach viel zu viele Fragen offen.
Eric Schürhaus, Trainer des Bezirksligisten FC Hambergen: Es kann nur ein Abbruch die Konsequenz dieser Situation sein. Man muss sich dann vor Augen halten, wie gewertet werden muss. Die größte Sympathie habe ich immer dafür gehabt, dass die Saison, die begonnen wurde, zu einem Ende gebracht wird. Nur sehen wir ja jetzt schon bei den Profis, dass die Bedingungen selbst bei denen Probleme bereiten. Das wird im Amateurbereich ja noch viel gravierender sein, weil die Jungs neben dem Fußball ja auch zur Arbeit gehen und im täglichen Leben mit viel mehr Leuten in Kontakt kommen und somit einer größeren Gefahr ausgesetzt sind. Sie haben einfach nicht die Möglichkeit wie die Profis, sich komplett abzuschotten. Sobald im Amateurbereich ein Corona-Fall auftreten sollte, ist erst mal zwei Wochen Pause, und das wäre für jegliche Saisonfortsetzung eine Katastrophe. Ich bitte da auch inständig, dass nicht weiter rumgeeiert wird, sondern Fakten geschaffen werden. Wenn der Abbruch beschlossen wird, dann kann dies nur mit einer Wertung nach der Quotientenregel gemacht werden, bei der es zwingend einen Auf- und Absteiger geben muss. Das ist meiner Meinung nach wirklich zwingend. Wenn wir nur Aufsteiger gewähren, und ich befürchte, dass es darauf hinauslaufen wird, werden die Staffeln unnötig aufgebläht. Die Bezirksliga Bremen hat, glaube ich, mal mit 20 Mannschaften in einer Saison gespielt und hat dann 38 Spieltage gehabt. Das ist viel zu viel. Dann tritt meiner Meinung nach ein absolutes Überspielen ein, im Bezirk Lüneburg hatten wir ja auch schon mal eine 17er-Liga. Wobei ich sowieso nicht glaube, dass wir dieses Jahr noch einmal Fußball spielen werden. Ich bin für die Variante „Abbruch mit Auf- und Absteigern“, ausgehend vom Tabellenstand zum Zeitpunkt des Abbruchs mit einer Quotienten-Regelung, auch wenn sich einige Mannschaften dann benachteiligt fühlen werden. Aber irgendjemand muss sowieso die Kröte schlucken, aber es sind genug Spiele absolviert worden, um dies zur Grundlage zu nehmen.
Malte Jaskosch, Trainer des Bezirksligisten SV Komet Pennigbüttel: Im Grunde genommen ist doch schon alles entschieden. Die Mehrheit der Vereine hat sich gegen den Vorschlag des NFV, also Fortsetzung zu einem späteren Zeitpunkt, entschieden. Für mich kommt nur die Quotientenregelung in Frage – nämlich die mit Auf- und Absteigern. Eine Regelung ohne Absteiger würde ein Jahr später zu einer Absteigerflut führen. Ich kann das natürlich leicht sagen, weil ich mit meinem Verein nicht direkt betroffen bin. Das Szenario kenne ich allerdings aus früheren Zeiten, als ich mit dem FC Worpswede wegen der Spielklassenreform als Tabellenelfter absteigen musste – mit über 40 Punkten. Nach der Umfrage unter seinen Kreisverbänden muss der Verband jetzt auch Verband sein und entscheiden. Das sind doch gewählte Führungskräfte. Ich finde die ganze Situation fatal, weil man ja jetzt schon mit dem Trainieren anfangen kann. Ich brauche aber auch eine Perspektive und will nicht bis Ende Juni warten. Ich würde mir eine zeitnahe Entscheidung wünschen. Klar ist jetzt nur, dass wir bis zum 30. Juni auf keinen Fall Fußball spielen werden.
Oliver Schilling, Trainer des Bezirksligisten VSK Osterholz-Scharmbeck: Wenn ich ehrlich bin, kippt Variante Nummer vier ja sowieso schon weg. Das verstehe ich nicht. Dagegen haben sich die Kreise ja schon ausgesprochen. Für den NFV geht es doch nur noch darum, in welcher Form der Abbruch stattfinden soll. Ich fände es am fairsten, wenn man sich für das Modell von Schleswig-Holstein entscheidet – die Quotientenregelung mit Auf-, aber ohne Absteiger. Auch wenn sich dadurch ein Jahr später die Ligenstärke erhöhen würde. Für mich ist es natürlich einfach, sich so eine Variante vorzustellen, weil ich hänge ja mit dem VSK unten drin in der Tabelle. Ich halte es für ein faires Modell. Im Übrigen: Wir reden hier vom Amateursport. Was machen da zwei Spiele mehr schon aus?
Bastian Haskamp, Trainer des Bezirksligisten TuSG Ritterhude: Ich verstehe das ehrlich gesagt nicht, warum es jetzt wieder vier Szenarien gibt. Eigentlich dürften am Ende doch nur drei zur Abstimmung kommen, da die Variante der Saisonverlängerung doch eigentlich schon mehrheitlich von den Vereinen klar abgelehnt worden ist. Jetzt wird es immer komplizierter, erst Recht, wenn Niedersachsen am Ende doch einen anderen Weg geht als Bremen. Wie soll das dann alles funktionieren? Es gibt Spieler, die ab 1. Juli, also für die neue Saison, einen Vertrag als Vertragsamateur unterschrieben haben. Was ist mit diesen Fällen? Wie sollen wir Gespräche mit Neuzugängen führen? Das ist alles sehr nervig und ermüdend. Man hätte die Saison längst abbrechen sollen.
Quelle: Weser-Kurier vom 14.05.2020 verfasst von Tobias Dohr, Thomas Müller und Dennis Schott