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Drei Tage im Mai

Wie der FC Hagen/Uthlede zu einem wirklich würdigen Meister der Fußball-Landesliga Lüneburg wurde

Manchmal dauert es nicht lange von der tiefsten Enttäuschung bis zum größten Triumph. Im Fall des FC Hagen/Uthlede waren es gerade einmal 50 Stunden. Diese zwei Tage reichten aus, um aus einem ziemlich verunsicherten Fußball-Landesligisten einen komplett von sich überzeugten Titelaspiranten zu machen. Anfang Mai durchlebte das Team um Trainer Carsten Werde die volle Bandbreite der Emotionen – und am Ende dieser Achterbahnfahrt stand die innere Gewissheit: Wir werden das schaffen!

Rückblende: Mitte April entpuppt sich der Meisterschaftskampf in der Landesliga Lüneburg kurzzeitig als Schneckenrennen. Weder der FC Hagen/Uthlede noch der MTV Treubund Lüneburg können konstant punkten, immer wieder lässt eines der beiden Topteams überraschend Zähler liegen. Dann kommt der 1. Mai. Das Werde-Team gewinnt zwar mit 2:1 beim abstiegsbedrohten TSV Ottersberg, doch hinterher ist die Verunsicherung größer denn je beim Tabellenführer. „Das war tatsächlich das schlechteste Spiel, seit ich in Hagen bei den Herren spiele“, sagt Marlo Burdorf.

Zur Verdeutlichung: Der Mannschaftsführer des FC ist mittlerweile 27 Jahre alt und spielt seit neun Jahren in der ersten Mannschaft. Weil die miese Leistung von Ottersberg nicht nur Burdorf ratlos zurücklässt, setzen sich die Verantwortlichen nach diesem Spiel zusammen. Carsten Werde und Co-Trainer Tjark Seidenberg führen mit ihrem Kapitän lange Gespräche über die Ausrichtung für die letzten Wochen der Saison. Mit Kai Diesing und Tim Grundmann waren zwei ganz wichtige Säulen im Hagener Gebilde verletzt. „Die Verunsicherung war da“, erinnert sich Burdorf. Wer sollte jetzt die Tore schießen? Wer die Vorlagen geben? Diese Fragen beschäftigten das Team offenbar so sehr, dass es darüber hinaus die eigenen Stärken zu vergessen schien.

Das Risiko wird belohnt

Werde, Seidenberg und Burdorf beschlossen deshalb gemeinsam eine Taktikänderung. Die defensive Viererkette wurde zu einer offensiveren Dreierreihe umgestellt. Die ureigene Hagener Stärke sollte so wieder mehr zum Tragen kommen: hohes Pressen, offensives Anlaufen, kurze Wege zum gegnerischen Tor. „Jeder musste nun noch mehr Verantwortung übernehmen und andere Qualitäten einbringen“, erinnert sich Carsten Werde, dem durchaus bewusst war, dass er mit dieser grundlegenden Systemänderung vier Wochen vor Saisonschluss ein hohes Risiko einging. Doch der Lohn stellte sich schneller ein als erhofft.

Am Donnerstag, 3. Mai, knapp 50 Stunden nach dem desaströsen Auftritt in Ottersberg, zerlegten die Hagener Eintracht Lüneburg beim 6:0-Heimsieg komplett in seine Einzelteile. Spätestens mit dem folgenden 3:1 über Rotenburg und dem 6:2-Triumph über Ritterhude emanzipierte sich der zukünftige Meister endgültig vom Duo Diesing/Grundmann. Es folgten drei weitere Siege bis zum Titel. Am Ende wurden die Hagener mit sechs Punkten Vorsprung Meister, kassierten in 30 Saisonspielen nur zwei Niederlagen, stellten den mit Abstand besten Sturm und die drittbeste Abwehr. Mit Tim Grundmann (19), Kai Diesing (15), Erik Köhler (14) und Justin Dähnenkamp (13) platzierten sich gleich vier Hagener unter den Top Ten der Torschützenliste. Und: Der FC kassierte nicht eine einzige Rote oder Gelb-Rote Karte.

Die Grün-Schwarzen setzten viele Highlights und Rekordmarken – mit Blick auf die (Oberliga)-Zukunft war Carsten Werde aber etwas anderes wichtiger: „Wir haben immer wieder eine unglaubliche Siegermentalität entwickelt, weil wir unbedingt unser selbst gestecktes Ziel erreichen wollten.“ Dieses Ziel lautete Meisterschaft und Aufstieg. Vom ersten Spieltag an. Und so war das 5:2 nach 0:2-Pausenrückstand am ersten Spieltag in Bornreihe irgendwie gleich wegweisend. „Da haben wir ganz früh gemerkt, wie fit wir sind, und was wir bewegen können, wenn alle mitziehen“, so Werde.

Es zogen alle mit. Und das nicht nur auf dem Platz. Die viel zitierte Hagener Gemeinschaft kam in den vergangenen Monaten mehr denn je zum Tragen. Das gemeinsame Ziel verband – und das Team unterwarf sich komplett dieser Mission. Am Ende waren es nicht nur die unzähligen Trainingseinheiten, sondern auch die Veranstaltungen abseits des Platzes, die ihren Beitrag leisteten. Etliche FIFA-Abende an der Playstation von Betreuer Yannick Kühntopf, spontane Grillabende bei irgendeinem Spieler und die Disco-Nächte im Pam Pam. „Das Miteinander ist einfach überragend bei uns“, schwärmt Marlo Burdorf von der ganz besonderen Atmosphäre.

Dass sich diese in der kommenden Spielzeit ändern könnte, glaubt der Kapitän nicht. Auch wenn es wohl definitiv anders laufen wird als zuletzt. Von den 92 Punktspielen der letzten drei Spielzeiten hat der FC nur mickrige 14 verloren. Ein unfassbar guter Wert. „Wir werden neue Wege finden, wenn es jetzt mal mehr Niederlagen geben wird“, prognostiziert Marlo Burdorf. Es würde nicht verwundern, wenn die neue Herausforderung, die von vielen Außenstehenden als viel zu groß für den kleinen FC empfunden wird, neue Kräfte freisetzt.

„Die Vorfreude ist jetzt schon überragend groß“, sagt Carsten Werde, „weil ich felsenfest davon überzeugt bin, dass wir mit unserer Art und Weise erfolgreich sein und tolle Spiele abliefern werden. Aber der Erfolg wird sicherlich ab jetzt anders messbar sein.“ Noch ist all das aber Zukunftsmusik. Jetzt steht erst mal die große Abschlussfahrt nach Mallorca an. Und dort werden die Fußballer des FC Hagen/Uthlede sie noch einmal gebührend feiern: die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte.

Die Einsatzbilanz: Yannick Becker (29 Einsätze/0 Tore), Mirko Franke (29/4), Erik Köhler (28/14), Marlo Burdorf (27/4), Thomas Wischhusen (26/0), Christoph Müller (25/7), Michel Klimmek (25/5), Berendt Knoop (25/0), Justin Dähnenkamp (24/13), Tim Grundmann (21/19), Kai Diesing (21/15), Jan Wohltmann (19/1), Axel France (18/0), Lars Janssen (17/0), Björn Kohlstedt (15/2), Jöran Korf (12/0), Maurice Banehr (10/2), André Stüßel (10/2), Mirko Radtke (9/1), Fabio Hausmann (8/1), Guido Woltmann (3/0), Nils Göcke (2/0), Dennis Skowronek (1/0), Tjark Seidenberg (1/0)


Quelle: Weser-Kurier vom 01,05.2018 verfasst von Tobias Dohr